Ich habe mir lange keine Gedanken über Adoption gemacht. Ich hatte zwar schon immer großen Respekt vor allen Eltern, die ein Kind adoptierten – aber das war weit weg und nicht greifbar.
Bis jetzt.
Mein Schwager und seine Frau haben bereits vier Kinder. Die zwei Jüngsten sind 8 Jahre alt. Die Eltern hatten schon lange den Traum zu adoptieren, aber als sich damals Zwillinge angekündigt hatten, lag der Gedanke erstmal auf Eis. Dazu kam die finanzielle Situation – eine Adoption kostet viel Geld. Im vergangenem Jahr gingen dann Türen auf, das Thema Adoption war wieder aktuell und seitdem ging alles ganz schnell: innerhalb von 9 Monaten wurde eine Organisation gefunden, ein Land ausgesucht, Flugtickets gekauft und seit ein paar Wochen sind unsere Verwandten in der Ukraine. Sie wohnen in einer viel zu kleinen Wohnung und besuchen jeden Tag ein Waisenhaus. Dort verbringen sie Stunden in einem Spielzimmer und lernen ihr neues Familienmitglied kennen: ein 18 Monate alter Junge. Als wir die ersten Bilder von dem Jungen gesehen haben mit der Nachricht, das sei ihr neuer Sohn, haben wir uns so sehr mitgefreut. Irgendwie ist ein Adoptionsprozess mit einer Schwangerschaft vergleichbar: die langen Monate des Wartens mit vielen frustrierenden und frohen Momenten, die extreme Anspannung kurz vor dem Kennenlernen und dann die große Freude, wenn man sich das erste Mal sieht….Der kleine Junge, der nun ein Teil dieser Familie ist, hat in seinem kurzen Leben schon sehr viel durchgemacht: als Frühgeburt wurde er von seiner Mutter abgewiesen, als sie sein blau angelaufenes Gesicht sah. Er leidet unter einem Herzfehler und wurde schon mehrmals operiert. Obwohl er 18 Monate alt ist, hat er die Größe von einem 6 Monate alten Kind und kann auch noch nicht laufen. Er ist furchtbar blass und seine Augen sehen so leer aus. Es ist für mich total bewegend, dieses verlorene Kind in den Armen seiner neuen Eltern zu sehen. Ab nun wird in diesen kleinen Menschen investiert, er wird geliebt, er bekommt Geschwister, er wird von Jesus hören. Sein Leben ist gerettet, er wird medizinisch top versorgt werden und seine Seele wird mit Liebe gestreichelt werden. Ich freue mich darauf, zu beobachten wie er Kräfte tanken unddas Laufen und das Lächeln lernen wird.
Das Thema Adoption ist plötzlich ganz nah an meinem Herzen. Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn wir ein Kind adoptieren würden. Könnte ich es so lieben, wie meine eigenen? Wie würden wir umgehen, wenn sich Charaktereigenschaften zeigen, die nicht mit unserer Familie zusammenpassen? Wie kann ich ein Kind erziehen, das vielleicht im Mutterleib schon extreme Gefühle von Verlassensein erfahren hat? Wie würde sich unsere Familie verändern? Würde ich diese Veränderungen gerne zulassen?
Mein Mann hat es so treffend gesagt: ‘Adoption ist ein Akt der Liebe.’ Und Liebe investiert, auch wenn sie vielleicht nichts zurückbekommt. Liebe gibt, Liebe ist da, Liebe fragt nicht nach, Liebe opfert. Das muss ich als Mutter mir täglich und oft minütlich in den Sinn rufen – und das gilt wohl ganz besonders dann, wenn man ein Kind adoptiert. Es ist bestimmt ein Risiko, aber die Liebe erklärt sich dazu bereit, dieses Risiko einzugehen.
Ich bewundere meinen Schwager und meine Schwägerin, wie sie ohne Rücksicht auf Verluste diesen Weg gehen. Sie verzichten momentan auf allen erdenklichen Luxus um dieses Kind nach Hause zu holen. Sie scheuen keine Mühe um dem Jungen ein neues Leben zu bieten.
Ich sehe in alldem wunderschöne Parallelen zu dem, was Jesus für uns getan hat. Ich bin auch adoptiert. Adoptiert in die Familie Gottes. Jesus war kein Weg zu weit, nichts zu schwer und zu schmerzvoll, als dass er es nicht auf sich genommen hat um mich zu adoptieren und mir ein echtes, ewiges Zuhause zu geben. Ich denke, wer diese wunderbare Erlösung von Einsamkeit und Dunkelheit hin zu einem hellen und warmen und geborgenen Zuhause in Jesus erfahren hat, sollte einmal über Adoption nachdenken. Ob man nun tatsächlich selbst ein Kind adoptiert oder sich in irgendeiner Weise für die Waisen dieser Welt engagiert…ich bin mir sicher: das Thema Adoption liegt Gott sehr am Herzen.
Das ist ja lustig… ich habe ganz ähnliche Gedanken und Gefühle über dieses Thema wie Du sie in deinem blog- Beitrag beschrieben hast…Im Moment scheint mir die Aufgabe zu groß zu sein, ein Kind zu adoptieren und mich damit auf eine ganz ungewisse Reise zu begeben. Aber immer wieder kommt der Gedanke in mir hoch oder begegnen mir Beispiele wie die Geschichte von Euren Verwandten. Respekt- ich finde das auch total mutig und bewundernswert und jesus- mäßig. Mich hat die Biographie von Mary Beth Chapman sehr berührt (sie hat insgesamt drei Kinder adoptiert). Falls Du sie noch nicht kennst ist das vielleicht eine interessante Lektüre (engl. Titel: “Choosing to see”).
Liebe Grüße und Danke für diesen Impuls- was auch immer daraus wird!
Barbara